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Kambodscha
Ein Besuch im Paradies

Die Hölle von Kambodscha - Sihanoukville - Dicker Mann füttert angeketteten Affen

Die Strände von Sihanoukville gelten als eins der beliebtesten Touristenziele Kambodschas. Hotels, Restaurants, Freizeitaktivitäten und Dienstleistungen jeglicher Art sind äußerst billig. Überdies lassen die Gastfreundschaft, Toleranzgrenzen und Notlagen der Einheimischen keine Wünsche übrig. Den ausländischen Männern haben es vor allem die einheimischen Frauen angetan. In dieser Gemengenlage findet man Sextourismus vom Feinsten. 

Ort der Fotoaufnahmen: Sihanoukville
Koordinaten:
10.60115°N 103.52879°E

Kambodscha ist eins der ärmsten Länder der Erde mit einer grausamen Vergangenheit und doch ist es eins der kulturell am reizvollsten. Vier Millionen Backpacker und Angkor-Wat-Pilger besuchten es im Jahr 2014. Tourismus als Chance für die Stabilisierung des Landes und ein Motor für die Zukunft, so heißt es überall.

Ich kam im Jahr 2009 nach Kambodscha. Ich reiste in Cham Yeam an der Küste ein und fuhr nach Sihanoukville, einem Örtchen am Golf von Thailand, das in den Reiseführern als ein Stückchen Paradies auf Erden gepriesen wurde. Weiße, leere Sandstrände, Palmenwäldchen, Ruhe und ein bisschen Luxus: Das war genau das richtige, um ein paar Tage auszuspannen.

Die Suche nach einer Unterkunft gestaltete sich schwierig. Obwohl ich in der Nebensaison reiste, waren die Schlafplätze rar gesät, so dass ich nach einer Stunde zu einem kleinen Hotel am Ausgangsort meiner Suche zurückkehrte. Es war bereits spät am Abend, als ich eine warme Mahlzeit am Tresen bestellte und eine Herrenrunde beobachtete, die am Billardtisch ihre Kös über die Platte schob. Da waren Adam aus Australien, Raoul aus Frankreich und ein Rentner aus Amerika. Sie kamen allesamt schon seit Jahren nach Sihanoukville und blieben dann gleich für ein paar Monate. Sie können sich hier alles leisten, vor allem Alkohol und Frauen, inklusive Sex mit blutjungen 15-jährigen Mädchen, erzählten sie mir unverblümt. Sie berichteten von der "Chickenfarm", einem Eldorado an billigen Ladies und ließen sich über ein junges, vietnamesisches Mädchen aus, die dort derzeit höchst angesagt sei und bei der man sich ranhalten müsse, weil sie in ein paar Tagen "durch sein" werde. Sie schütteten sich einen Whisky nach dem anderen in ihre zerfallenen Körper, bevor sie sich gegen Mitternacht sturzbesoffen mit ihren Motorrädern auf den Weg zu besagtem Bordell aufmachten. Ich war baff. Prostitution kann in Südostasien nicht übersehen werden, aber in dieser offenen, zynischen Form hatte ich das noch nicht erlebt.

Polizisten kontrollierten in Sihanoukville, ob man beim Moped fahren einen Helm trägt. Sie kontrollierten auch, dass man an einer roten Ampel anhält, aber kontrollierten sie nicht die Bordelle?! Die Vermieterin am Tresen erklärte mir, dass man zwar erwischt und eingesperrt werden kann, aber es immer Wege gibt, sich vor Gericht freizukaufen. Ich muss wohl ziemlich naiv gewesen sein. Das Ausmaß und die Abgründe dieses Sex-Tourismus hatte ich nicht auf dem Schirm. Ich war sprachlos und angeekelt.

Am nächsten Tag besuchte ich den Strand. Ich wollte mit meiner Reiseplanung vorankommen. Aber daraus wurde nichts. Ich konnte mich weder an einer Bar niederlassen, geschweige denn mich auf eine der 300 Holzpritschen neben die Spezies Mensch legen, die mir am Vortag die Abgründe selbiger vor Augen geführt hatte.   

Stattdessen stand ich wie angewurzelt im Sand und beobachte, wie sich ein Tourist von einer Kambodschanerin massieren ließ. Er lag auf dem Rücken und rauchte eine Zigarette während der Massage. Das Gesicht der Kambodschanerin sprach Bände.

Ein kugelrunder Mann spazierte mit einer Hundeleine an mir vorbei, an der ein Äffchen festgekettet war. Er lief hinüber zu einer Bar, an der ein Angestellter ihm ungefragt eine Cola-Flasche reichte. Der Dicke öffnete den Schraubverschluss und gab dem Äffchen einen Schluck von der Brause. Das Äffchen hatte offensichtlich seine Freude daran und zog sich sodann auf einen Baum zurück, wo es der Mann festmachte. Der Mann und das Äffchen lächelten zufrieden.

Ein älterer Kambodschaner robbte vor den Touristen durch den Sand und versuchte, ein paar Münzen zu erbetteln. Er hatte nur noch ein Bein. Das andere wurde ihm vermutlich wie bei so vielen Menschen in Kambodscha von einer Mine abgerissen.

Währenddessen versuchte ein Tourist seiner Attraktivität auf die Sprünge zu helfen, indem er mitten auf dem Strand Liegestütze aufführte. Seine Hände platzierte er dabei auf einem Tisch. Das Beugen der Arme ist bei dieser Variante bekanntermaßen nicht so anstrengend. Vermutlich glaubte der Mann, dass er damit einen ziemlich effizienten Weg zwischen körperlicher Anstrengung und gleich bleibenden Sex-Appeal gefunden hatte.

Sihanoukville fühlte sich unreal an. Es bedrückte mich. Keine 24 Stunden nachdem ich es betreten hatte, verließ ich das „Paradies“.