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Myanmar
Burmesen auf Motorrädern

Burmesin auf Motorrad in Mandalay

Wenn ich zum ersten Mal in ein fremdes Land komme, dann probiere ich meist Folgendes aus: Ich lächle jemanden an und schaue, wie lange es dauert, bis die Person zurücklächelt. Nach ein paar Versuchen habe ich dann eine erste Idee über die Offenheit der Einheimischen. In manchen Ländern lässt eine Reaktion recht lange auf sich warten, in manchen Ländern sollte man gar vorsichtig sein, irgendeinen Menschen allzu offensichtlich anzulächeln. Das Land jedoch mit den schnellsten Zurücklächlern auf meinen Reisen war bislang Myanmar: Dort dauerte es in der Regel nur Millisekunden! Auf einer Rikschafahrt durch Mandalay ergab sich dann plötzlich die Gelegenheit, den Lächeltest in einer Porträtreihe festzuhalten.

Ort der Fotoaufnahmen: Mandalay
Koordinaten:
N21° 56' 55.932" E96° 5' 15.756"
Vielen Dank an: Myint Shion

Es gibt Zeiten, da bin ich tagelang auf der Suche nach einer Geschichte, die sich zu fotografieren lohnt und doch passiert nichts. Und dann gibt es Momente, in denen mir die Fotos einfach nur so zufallen. Am Morgen dieses einen Tages in Myanmar wusste ich noch nicht, dass ich am Abend ein paar Fotos aus Mandalay meiner Schatzkiste an bewegenden Momenten hinzufügen würde können. Und das ging so:

Es war der erste Tag in Mandalay und ich stromerte schon eine Weile durch die Stadt. Sie war viel gemütlicher, sauberer und einladender als Yangon, die Hauptstadt, und sie war ökonomisch deutlich weiter. Aber irgendwie war die Stadt auch ermüdend. Die Straßenecken sahen alle gleich aus. Ich lief und lief, von Straße zu Straße, von Block zu Block. Die Füße wurden schwer. Ein Rikschafahrer hatte mich beobachtet und bot mir genau im richtigen Moment an, bei ihm im Seitenwagen Platz zu nehmen. Ich war sofort einverstanden und ließ mich fallen, wobei es in dem Wagen einen Sitz mit Blickrichtung nach vorn und einen Sitz mit Blickrichtung nach hinten gab. Myint Shion, so hieß der Rikschafahrer, trat in die Pedalen und erst jetzt registrierte ich, dass ich mich rückwärts zur Fahrtrichtung hingesetzt hatte. Gern hätte ich nach vorn geschaut, aber ich war zu müde und ließ es auf sich beruhen.

Die Position jedoch ermöglichte mir zumindest eine neue, ungewöhnliche Perspektive auf die Straße: Knapp über dem Asphalt, in der Mitte auf einer bis zu drei Fahrspuren breiten Asphaltbahn. Alle anderen Fahrzeuge, vor allem die LKWs mit den so typisch offenen Motorräumen, aus denen regelmäßig Kühlwasserfontainen spritzten, überholten uns. Von den Seitenstraßen schossen Mopeds kreuz und quer über die Straße. Ein vergnügliches Schauspiel, an dem ich meine wahre Freude hatte. Die Burmesen, die uns überholten, spürten dies offenbar. Sie lächelten, riefen mir während der Fahrt zu und wollten wissen, woher ich komme. Wenn sie unserem Gefährt zu nahe kamen, signalisierte ich ihnen, nicht zu dicht aufzufahren. Die Burmesen mussten dann immer lachen und provozierten zu ihrer Erheiterung das dichte Auffahren erst recht.

In diesem Moment griff ich zur Kamera. Ich gab den "wilden Horden" zu verstehen, dass ich sie fotografieren möchte. Die meisten fuhren dann nochmal extra dicht auf, lächelten und winkten in die Kamera. Manchmal erkannten die Mopedfahrer und -fahrerinnen schon von weitem das rollende Fotoshooting und reihten sich vergnügt in die fahrende Moped-Warteschlange ein - ein Heidenspaß für alle Beteiligten. Auch Myint hatte seine Freude, der nun begann, seine Geschwindigkeit für die Fotoaufnahmen zu erhöhen und noch mehr in der Mitte zu fahren, um möglichst viel Auswahl zu haben.

Auf diese Weise tourten wir fast eine Stunde durch die Stadt. Ich hatte Myint angeboten, zwischendurch eine Pause einzulegen, aber davon wollte er nichts wissen. 

 

Im Übrigen: Auf einem der Fotos sieht man im Hintergrund einen blauen Kastenwagen. Auf circa 50 Zentimetern unter dem Dach des Wagens befinden sich Gitterstäbe, an denen sich Menschen von Innen festhalten. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um ein altes Standard-Modell eines burmesischen Gefangenentransportfahrzeugs. Ich entdeckte das Foto erst nach der Fotosession am Abend auf meinem Laptop. Es ist schon verrückt: Trotz der wunderbaren Begegnung konnten diese Momente nicht eingefangen werden, nicht ohne die dunkle Vergangenheit Myanmars komplett ausblenden zu können.