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El Salvador
Los Hombres de la Seguridad

Wachmann mit Gewehr an einer Texaco Tankstelle in San Salvador

Manche Leute sagen, dass es sich anfühlt wie auf einer Versammlung der US-amerikanischen Schusswaffen-Vereinigung NRA, wenn man durch die Straßen San Salvadors spaziert. Recht haben diese Leute, denn in San Salvador stehen jeden Tag tausende Männer mit Maschinengewehren, Pumpguns und Pistolen auf den Fußwegen und bewachen Banken, Supermärkte, Coffee-Shops, Schuhgeschäfte, Schreibwarenläden, Tischlereien, Werkstätten, Tankstellen, Mode-Boutiquen und Baumärkte - sie bewachen einfach alles. Ein bizarrer und ungemütlicher Anblick und eine Steilvorlage zu einer Porträtreihe über die “Hombres de la Seguridad”. 

        Ort der Fotoaufnahmen: City of San Salvador
        Koordinaten:
13°41'56.2"N 89°11'20.4"W

Eigentlich hatte ich San Salvador, die Hauptstadt von El Salvador, nur als Umsteigeort für die Weiterreise zu den Surferstränden El Tuncos vorgesehen, denn der Reiseführer hatte nichts zu vermelden, wofür sich eine Erkundung der Stadt wohl gelohnt hätte. Aber ich hatte noch fünf Stunden Zeit und stieg kurzerhand in einen Minibus, der mich ins Stadtzentrum in die Nähe der Kathedrale Metropolitana brachte.

Ich landete in einem Meer aus Verkaufsständen, jeder Straßenzug bot andere Waren an. Es war bunt und laut, aber meiner Kamera boten sich kaum Begegnungen, die ich nicht schon auf anderen Märkten fotografiert hatte. Und obwohl ich mit Menschenmengen gut umgehen kann, beschlich mich die ganze Zeit ein unbehagliches Gefühl. Alle schauten mich an. Ich war offenkundig der einzige Tourist weit und breit. Schließlich sammelte ich genügend Material für eine kleine Fotoserie über das Markttreiben dieser Stadt und fuhr weiter nach El Tunco.

Als ich in meiner Hütte am Strand die Fotos begutachtete, fiel mir das Bild eines Wachmannes auf, der seinen Dienst vor einem asiatischen Restaurant verrichtete. Er hielt eine Pumpgun vor seinem Bauch und lächelte verschmitzt. Ich hatte das Foto gemacht, zweifelsohne, ich hatte auch mit dem Mann gesprochen, aber erst jetzt fiel mir das Bild richtig auf. Fotos von bewaffneten Menschen sind nichts Ungewöhnliches, aber dieses Lächeln mit dem Gewehr in der Hand bewegte mich.

Ich ließ den Tag noch einmal Revue passieren, wobei mir bewusst wurde, dass diese Sicherheitsmänner an jedem zweiten Laden gestanden hatten. Ich erinnerte mich an die vermummten Polizisten, die sich auf der Ladefläche eines Pickups durch die Menge zwängten und mit Laserpointern auf ihren Präzisonsgewehren die Menschenmenge absuchten. Da waren Stacheldrahtrollen auf den Balkonen, um Einbrecher fernzuhalten und da waren vergitterte Apotheken, um Räuber abzuwehren. Und mir fiel wieder die schwer bewaffnete fünfköpfige Spezialeinheit ein, die sich den Weg zu einem Supermarkt freischubste, um dort zwei Säcke Bargeld abzuholen. Vieles davon hatte ich nur am Rande mitbekommen und nur wenig davon hatte ich fotografiert. Aber mir wurde klar, dass diese martialischen Auftritte und die scheinbar in der Luft flimmernde Gewalt zu diesem Unbehagen geführt haben mussten.

Das Foto des Wachmannes ließ mir keine Ruhe mehr. Am nächsten Morgen fuhr ich zurück nach San Salvador. Ich wollte diese Wachleute vor die Kamera bekommen. Ich legte mir ein paar spanische Sätze zurecht und versuchte die Hombres zu überreden, sich vor mir aufzustellen. Das war gar nicht so einfach. Die meisten Wachleute oder Ladenbetreiber vertrieben mich. Und wenn doch ein Wachmann zusagte, hatte ich nicht mehr als 30 Sekunden von deren Aufmerksamkeit, um die Herren zu positionieren, ihren Blicken einen Fokus zu geben und den Hintergrund frei zu räumen. Fünf Stunden lang zog ich auf diese Weise durch die brütende Mittagshitze, von Straße zu Straße, schnell und im Zick-Zack, ohne mich niederzulassen. Am Ende war ich erschöpft, aber glücklich.

Ich hatte die Hombres im Kasten.